Was macht gut gemachte NSCs aus? Teil 2

In Teil 1 dieser Fragestellung haben wir uns angesehen, was los ist, wenn es nicht so gut mit den NSCs läuft – wenn sie langweilig, leblos oder verwirrend sind.

Jetzt geht es darum, was gut gemachte NSCs ausmacht. 🙂

Das ist sicher nicht einfach, gelingt nicht jedem immer und es ist auch kein Drama, wenn es mal nicht klappt, man mit einem NSC nicht warm wird oder eine Handvoll NSCs farblos bleiben.

Aber jeder Rollenspielleiter ist natürlich bestrebt, möglichst tolle NSCs in der Runde zu haben, die den Spielern in Erinnerung bleiben können, die in der Lage sind die Spieler zu beeindrucken. Die nicht vorbei wehen wie ein totes Blatt und nur vom Wind getragen ein-zwei Sätze flüstern, die die Spieler genauso gut auf einer grauen Wand hätten ablesen können.

 

Gut gemachte NSCs machen Spaß!

 

Auch als Spieler sind mir einige NSCs der letzten Jahre immer noch präsent und ich denke gern an sie. Und ich glaube, dass so etwas wunderbar ist, und zu dem Zauber einer Rollenspielrunde zumindest zum Teil dazugehören sollte.

Was hatten diese NSCs, dass ich mich immer noch an sie erinnere? Ich versuche es mal so allgemein wie möglich zu fassen. 🙂

 

Hello

 

Sie hatten einen wiedererkennbaren Charakter

Bestimmte Dinge verärgerten sie, über andere lachten sie. Sie hatten konkrete Ziele oder zeichneten sich gerade durch ihre planlose Vorgehensweise aus. Manche stolperten über alles, was im Weg lag; andere ließen sich über die Hindernisse tragen. Sie konnten bestimmte Dinge und andere nicht. Und sie taten bestimmte Dinge und andere nicht. Bestimmte Menschen/Wesen konnten sie nicht leiden, von anderen wiederum waren sie auf ihre ganz eigene Art zu begeistern oder fasziniert. Sie waren religiös oder atheistisch. Sie gingen nur in schicken Klamotten hinaus oder spotteten über solche. Sie hatten eine bestimmte Art Humor oder keinen. Manche waren schnell neidisch oder rachsüchtig, immer auf ihren eigenen Vorteil bedacht, andere hingegen jedem freundlich gesinnt bis zur völligen Arglosigkeit. Sie strebten nach Höherem, waren mutig, risikobereit, leichtsinnig oder flohen, sobald es heikel wurde. Und sie vereinten auch Widersprüche in sich, waren schüchtern, aber arrogant. Hielten lange Reden über Gerechtigkeit und fällten Urteile weit ab von dieser, jedoch in der völligen Überzeugung, das Richtige zu tun. Sie waren einfach jemand. Und sie dachten auch auf eine bestimmte Art und Weise über sich, andere und die Welt.

Und diese Art, wie sie die Welt sahen und ihren momentanen Platz darin beurteilten, merkte man ihnen an. Und selbst wenn die Figuren der Spieler nicht vorbei gekommen wären, hätte es diese Figuren mit all ihren Konflikten gegeben. Das ist der Eindruck, den diese NSCs erweckt haben.

 

Sie hatten eine Geschichte

Das, was sie taten, als man sie kennenlernte, taten sie, weil ihr Lebensweg, bestimmte Ereignisse oder jemand anders sie dorthin geführt hatte. Manche waren unglücklich, andere stolz über ihren Zustand. Die NSCs hatten ein soziales Umfeld, Dinge und Leute, die ihnen wichtig und wertvoll waren und solche, mit denen sie es schwer hatten. Sie hatten eine Vergangenheit und eine Gegenwart und sie würden auch eine Zukunft haben. Sie gestalteten ihr Leben, ob bewusst oder unbewusst, aber sie hatten Dinge getan und andere unterlassen, und das hatte sie dahin gebracht, wo sie waren. Diese Figuren waren keine Schaufensterpuppen, die in einer Fabrik nach gleichem Schema hergestellt wurden, und je nach Schaufenster, in das die Spieler blicken sollten, ein anderes Gewand trugen. Das heißt nicht, dass der Spielleiter sie ins Detail durchdenken musste, aber er war sich wohl darüber im Klaren, dass diese Figuren mehr waren, als das, was er selbst wusste oder den Spielern zeigte. Und schon allein die Ahnung von diesem „Mehr“ macht einen NSC greifbar und erfahrbar.

 

Sie hatten ihren eigenen Sprachstil

Jeder von ihnen hatte eine bestimmte Art zu sprechen. Die einen waren Quasselstrippen, die anderen zeichneten sich durch ihre Wortkargheit aus. Manche betonten bestimmte Satzteile ganz anders als andere, hoben etwas hervor oder begleiteten ihre Worte mit Gesten. Manche redeten schnell, holten kaum Luft; andere hingegen sprachen schleppend und wie in tiefe Gedanken versunken. Benutzten die einen gewählte Worte und drückten sich „fein“, vielleicht sogar poetisch aus, taten die anderen die Worte ihrer Sätze geradezu hinrotzen. All das machte diese Figuren greifbar. Es waren Persönlichkeiten. Jeder einzelne von ihnen drückte in seiner Sprache sein Leben und seinen Zustand aus.

 

Sie hatten ihre eigenen Verhaltensweisen

Auch verhielten sie sich individuell. Manche beteten vor jedem Problem, egal, ob die Zeit dafür da war oder nicht. Oder sie warfen mit Gegenständen um sich, wenn sie sich ärgerten. Manche hatten Spaß daran, anderen Schabernack zu spielen. Es gab NSCs, die sofort in den Schatten glitten, wenn sich jemand näherte und offenbar viele Geheimnisse mit sich trugen, um die sie Angst hatten. Aber diese Figuren waren nicht bloße Klischees oder Stereotype, sie waren in allem sie selbst.

Natürlich gibt es auch immer wieder die Klischees und Stereotype, aber das sind eben auch die NSCs die man schnell wieder vergisst, da sie völlig austauschbar sind und nur für eine bestimmte Funktion eingesetzt wurden, z.B. Mitleid zu erregen, wie ein zurückgelassenes, charakterloses Kind im Wald, das man zu den Eltern bringen muss, eben weil es ein hilfloses Kind ist.

 

Sie hatten Gefühle

Diese NSCs hatten Gefühle, und man konnte sie in diesen Gefühlen verletzen. Sie reagierten auf die Spielerfiguren und zwar auf ihre persönliche eigene Weise, und im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Die Spielfiguren hatten tatsächlich jemanden vor sich, der auf seine ganz eigene Art reagierte und seine ganz eigene Gefühlswelt hatte, und das mussten sie bedenken, wenn sie mit diesen NSCs in Kontakt kamen. Denn die Gefühle der NSCs spielten eine Rolle. Wer sich wie ein Elefant im Porzellanladen benahm, bekam das auch zu spüren. Und das ist auch gut so. Die Spielfiguren brauchen diese Reibungsfläche und diese Reflektion ihrer eigenen Handlungen. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass ein NSC mal so mal so ist, Hauptsache Gefühl. Die Gefühle des NSCs müssen aus dessen Lebensrealität nachvollziehbar bleiben. Natürlich können sie sich ändern, wenn sich die Umstände ändern, aber sie sollten nicht willkürlich erscheinen, sondern es sollte für den NSC einen Grund geben, sich so zu verhalten. Außer er ist verrückt oder multipel und das hin und her in merkwürdigen Gefühlsausbrüchen ist beabsichtigt.

Liebe, Freundschaft, Hass, Verachtung, Zusammenarbeit, Feindschaft – alles im Rahmen der Möglichkeiten – je nachdem, wie die Spielerfigur mit dem jeweiligen NSC umging, wie gut sie ihn in seiner Art begriff. Ein nach Videospielen süchtiger Vampir zum Beispiel ist mit anderen Dingen glücklich oder traurig zu machen, als ein blinder Gärtner, der das angebaute Gemüse für einen Wettbewerb einreichen will. Jemand aus der Gosse, der die Herrschaft über einen bestimmten Bereich anstrebt und Verbündete sucht, ist anders zu verärgern oder zu begeistern, als ein Wohnwagenhippie, der Eichhörnchen für seinen Wohnwagendachbaum sammelt.

 

Sie lösten Gefühle aus

Begegnete man einem solchen gut gemachten NSC, dann löste dieser Gefühle aus. Zum Beispiel das Gefühl vorsichtig sein zu müssen, die Angst, dass etwas passieren würde, wenn man die Sache falsch anging. Oder sie lösten Empörung und Wut mit ihrem Verhalten aus. Manche verursachten Amüsement oder Belustigung. Bei anderen freute man sich einfach, in ihrer Gesellschaft zu sein oder machte sich Sorgen, wenn man lange nichts von ihnen hörte. In manche verliebte man sich, andere gaben ein prima Vorbild für die Figur ab, die in Staunen und Respekt versetzt wurde, und sich diesen NSC vielleicht als Lehrer in einem bestimmten Bereich wünschte, oder sich danach sehnte, diesen NSC seinerseits zu beeindrucken und in seiner Achtung zu steigen. Manche kamen einem in ihrer Art hilflos vor und man wollte sie schützen, einfach, weil man verstand, was ihr Problem war und dachte, es ließe sich lösen, bevor die Situation eskaliert. Manchmal kam man in Solidaritätskonflikte, weil man NSCs aus jeder Fraktion mochte oder sogar schon zu Freunden gemacht hatte und selbst nicht wusste, auf welche Seite man sich stellen sollte. Gute NSCs verwickeln die Spielfiguren ihrerseits in ein Netz von Gefühlen, und das ist spannend, tragisch oder einfach schön, je nach Situation, in der die Figur ist.

 

Das Leben dieser NSCs ging auch ohne die Figuren weiter

Diese NSCs gingen ihren Interessen nach. Das was sie taten, stimmte für sie. Sie handelten autonom, auch wenn die Figuren, je nach Beziehung (und ggf. zusätzliches Würfelglück), manchmal Einfluss nehmen konnten. Das heißt, die NSCs wechselten auch mal aus bestimmten Gründen eine Fraktion, verbündeten oder verfeindeten sich neu, taten Dinge, die sie bereuten oder Dinge, die sie weiterbrachten und entwickelten sich. Manche häuften sich tausend Probleme an, wenn man sie mal ein paar Abende aus den Augen ließ – aber genau das ist auch spannend und schön, wer mag nicht Überraschungen?

 

Zusammenfassung

Wir können also folgendes festhalten: Gut gemachte NSCs haben Gefühle und lösen Gefühle aus. Sie führen ein eigenes Leben, haben eigene Interessen und verfolgen eigene Ziele. Sie existieren auch unabhängig von den Spielfiguren und sind mehr als reine Funktionsträger. Sie haben einen bestimmten, wiedererkennbaren Charakter und ihre eigene Art zu sprechen und sich zu verhalten. Jeder dieser NSCs ist ein unverwechselbares Indivuduum, mit dem die Spieler mit ihren Figuren in Kontakt treten können, wobei es sich je nach Gestaltung dieses Kontaktes erst ergibt, wie der NSC sich zu den einzelnen Figuren verhält.

 

Das waren jetzt ein paar Punkte, die mir persönlich relevant erscheinen. In Teil 3 dieser Artikelreihe, möchte ich versuchen, ein paar Tipps zu geben, wie man sich einen in Erinnerung bleibenden NSC zusammenbasteln kann. 🙂

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